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11.02.2010

Sind wir eine Herde?

Filed under: Politik und Philosophie — Schlagwörter: , , , , , , , , — BenBE @ 03:46:18

Wie es so oft passiert, wenn man im Smalltalk mit anderen interessierten ist, schwimmen an einem immer wieder interessante Links vorbei. So geschah es auch in Bezug auf dieses Video. Aus irgendeinem Grund, kam die Diskussion auf das ein Video von Dan Brown, in dem er unter dem Titel We’re a TRIBE! Bezug auf einen TED-Talk von David Logan nimmt. Thema dieses Talks war das „Herdenverhalten“ innerhalb von gesellschaftlichen Gruppen, und wie dieses die Entwicklung der Gruppe aber auch des Einzelnen beeinflusst.

Die Grundidee dabei ist, das innerhalb der Gesellschaft zahlreiche, individuelle Gruppen von 20 bis 150 Personen existieren, deren Mitglieder eine Reihe von Eigenschaften gemeinsam haben und anhand derer sich die Gruppenidentität definiert. Das Entstehen dieser Gruppen ist dabei vollkommen natürlich und unabhängig von der konkreten Wahrnehmung.

Dabei unterscheided Logan bei Herden 5 grundlegende Arten, die sich allesamt über ihre Kultur – konkret Umgangsformen innerhalb der Gruppe bzw. in Beziehungen zu anderen Herden – unterscheiden:

  1. Life sucks!
    Herden dieses Typs versuchen systematisch Beziehungen in anderen, funktionierenden Herden zu zerstören. Der innere Zusammenhalt wird dabei dadurch erreicht, dass sich Mitglieder zusammenschließen, die gleich denken.
  2. My life sucks!
    Herden in dieser Stufe schätzen ihr eigenes Leben negativ besetzt ein und wünschen sich eine Verbesserung, ohne etwas dafür zu tun bzw. tun zu wollen. Diese Einstellung führt auf lange Sicht zur Verdummung und behindert damit die Innovationsfähigkeit ihrer Mitglieder
  3. I’m great!
    Dieser Art der Gesellschaftskultur ist mit ~40% der Bevölkerung der am häufigsten anzutreffendste der 5 Kathegorien. Innerhalb dieser Gruppen definieren sich die Mitglieder durch ständige Rivalitäten – in dem also gegeneinander gearbeitet wird.
  4. We are great!
    Gruppen auf dieser Stufe finden sich basierend auf Gemeinsamkeiten zusammen und schätzen dabei gemeinsame Eigenschaften der Gruppe. Dieser Zusammenhalt erlaubt es der Gruppe, sich als Gruppe wahrzunehmen und somit über das Individuum als Bestandteil hinauszuwachsen.
  5. Live is great!
    Gruppen auf dieser Ebene lösen sich vollständig vom Individuum ab und werden vollständig durch die Werte der Gruppe in ihrer Handlunsweise gelenkt. Auf dieser Ebene können bedeutende, gesellschaftliche Veränderungen erreicht werden.

Soweit, so gut. Klingt auch in sich schlüssig, doch eine Sache die hierbei vielfach übersehen wird, ist, dass obwohl die fünfte Stufe vielleicht die erstrebenswerteste ist, man dennoch nicht ausschließlich auf dieser leben kann; selbst wenn man dies gern möchte. Vielmehr ist die fünfte Stufe eher eine Seltenheit; selbst, wenn man diese an vielen Stellen anders vermuten würde. Denn die Unabhängigkeitserklärung müsste, wäre sie auf dieser Stufe geschrieben, vollkommen anders aussehen. Genauso wäre auch Martin Luther King’s Rede wahrscheinlich auf dieser Stufe ein wenig anders ausgefallen.

Würde man, ausschließlich auf der obersten Stufe agieren, würden unweigerlich eine wesentliche Anzahl sozialer Verbindungen zwischen den eigenen Gruppen zusammenbrechen, da man für die meisten anderen Gruppen unverständlich wird: Kommunikation zwischen sozialen Gruppen kann effektiv nur zwischen benachbarten Ebenen erfolgen: Andere Stufen bleiben für den Empfänger unverständlich und führen damit zu einer Abgrenzung. Möchte man also auf die oberste Stufe aufsteigen, ohne andere mitzunehmen, kommt man effektiv nicht über die dritte Stufe hinaus: I am great!

Bliebe zu fragen, wie man dann dazu kommt, dass man diese Stufe erreicht, wenn schon nicht durch Zwang? Wahrscheinlich anders als man denken könnte, wahrscheinlich aber, wenn man eine Gemeinschaft bildet, die versucht, alle zu erreichen, ihre Hilfe anzubieten. Und wenn man etwas vom Internet lernen kann, dann ist es, dass diese Vernetzung, die man durch eine Gemeinschaft gewinnen kann, mehr erreichen wird, als man es durch Egoismus schaffen wird.

Ein hierfür recht interessantes Beispiel stellt vielleicht die Netzzensur-Debatte dar. Nach dem zuerst zögerlich sich kleine Gruppen, oftmals aber auch nur Individuen konträr zu Wort meldeten, da sie die Pläne störten, schuf die Vernetzung dieser Individuen eine gar eigenwillige Lebensform, die durch die Werte der Beteiligten genährt wurde und damit an Dynamik gewann. Diese Bewegung baute dabei auf die Leistungen des Einzelnen, ohne jedoch aus Individuen zu bestehen. Vielmehr wurde diese Gemeinschaft durch jedes ihrer Mitglieder gleichberechtigt vertreten. Der Einzelne war auch gar nicht wichtig, da die Gruppe und deren Stärke im Streit für die gemeinsamen Werte den ausschlaggebenden Punkt darstellte.

Die Errungenschaften dieser Herde mögen vielleicht die Welt nicht verändert haben, doch haben sie sie bewegt und klar aufgezeigt, dass man durch Kombinieren der eigenen Kräfte aus dem eigenen Trott heraus kommen kann um mehr zu sein, als nur ein Individum, was über das Leben flucht, das eigene Leben verdammt und sich dabei toll fühlt. Durch das Bilden einer Gruppe, die gemeinsame Werte schätzt, und dabei über sich hinaus geht, ändert man etwas.

Was sollte also der nächste Schritt sein? Vielleicht aufhören, sein eigenes Leben zu bemitleiden – aber vor allem, allein in seinem stillen Kämmerchen zu hocken, und darüber zu philosophieren, wie schön das Leben sein könnte. Warum nicht einfach hinaus gehen in die Welt, und sie ändern: jeden Tag auf’s Neue, solange, bis sie allen gefällt!

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4 Comments »

  1. Du bist heute aber sehr philosophisch! Auch wenn du das Thema eigentlich nur angerissen hast, ist es doch ein sehr Interessantes Thema.

    Kommentar by neo — 11.02.2010 @ 19:05:22

  2. Nunja, zwei wesentliche Aspekte sind doch erstmal:

    1. Gruppiert sich die Gesellschaft wirklich
    2. Funktionieren die genannten Mechanismen wirklich allein über die Einstellung der Gruppe?

    Beim ersten Punkt geb ich David Logan auf jeden Fall Recht: Jeder in der Gesellschaft hat verschiedene Gruppen (AKA Herden) um sich herum. Dies kann ein Programmierer-Team, eine GuildWars-Gilde, die Familie, Internet-Bekanntschaften und viele andere Gruppierungen beinhalten. In jeder dieser Gruppen verhält man sich unterschiedlich, organisiert Dinge unterschiedlich, hat eine andere soziale Rolle.

    Beim zweiten Punkt sieht die Sache schon viel schwerer aus. Denn selbst, wenn ich als Gruppe das Leben gut finde, können einzelne meiner Mitglieder in einem anderen Umfeld durchaus auf einer anderen Stufe agieren. Dies zeigen nicht zuletzt die Beispiele, die Logan selber bringt. Wenn ich als Gruppe etwas bewegen möchte, muss ich mit meinem Umfeld kommunizieren, was schwierig wird, wenn dies immer auf der eigenen Stufe geschehen soll.

    Und hier ist auch, wo ich in Bezug auf Logan’s Erklärungen etwas verwirrt bin: Wenn man auf Stufe 5 agiert, wird man seiner Umwelt nichts kommunizieren können – die weltbewegende Innovation als all diejenigen nicht erreichen, für die sie eigentlich gedacht ist.

    Kommentar by BenBE — 12.02.2010 @ 00:12:16

  3. Sehr gut geschrieben mal wieder!

    Find’s interessant, wie du soziale und philosophische Themen sinnvoll und verständlich kommentierst.

    Kommentar by Nik — 12.02.2010 @ 09:20:30

  4. Ich bin einfach der Meinung, dass man Wissen teilen sollte. Und da bringt es recht wenig, wenn man es nur in seinem eigenen Kreis erzählt, wo sich eh alle einig sind: Damit Wissen sich verbreitet, müssen alle die Möglichkeit haben, dieses Wissen zu ihren Gunsten anwenden zu können.

    Dies ist um so wichtiger, wenn man der Gesellschaft die Möglichkeit geben möchte, aus ihren Fehlern zu lernen, oder die Gesellschaft ändern möchte, ohne dass Sie sich selber unreflektiert in den Abgrund stürzt. Zumal ich immer noch die Hoffnung habe, dass man diese Gesellschaft mit etwas Schliff durchaus lebenswert machen kann.

    Kommentar by BenBE — 13.02.2010 @ 01:59:13

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