Als indirekte Antwort zu einem Beitrag bei Teekeks.
„Ich hasse es!“, drehte er sich um. Wieder einmal laß er entgegen seiner Überzeugung das Totholz, was sich selbst Zeitung schimpfte. Er war schnell fertig, denn außer Angst, Hass, Titten und dem Wetterbericht stand da nicht viel. Zumindest keine der relevanten Nachrichten. Zum Beispiel die explodierenden Tankstellen auf Grund explodierender Benzinpreise, oder die Arbeitslosigkeit trotz Arbeitsamt, oder der Abbau von Bürgerrechten. Frustriert presste er wortlos dem verwirrten Verkäufer die halb zerknüllte Ausgabe wieder in die Hand. Verdutzt schaute ihm der Verkäufer hinterher; jedoch ohne Kraft, seine Stimme zu erheben. Für diesen Hungerlohn war es diese Badlektüre jedenfalls einfach nicht wert.
Er verließ den Kiosk ohne sich weiter umzublicken. Er schaute sich nicht um. Keiner schaute sich überhaupt je um. Alles ging nur stupide seinem Alltag nach. Business as Usual. An ihm streiften zahllose inhaltslose Gesichter vorbei, manche hetzend, manche abwesend; jedoch keines zeigte eine Regung. Alles floss eindruckslos an ihm vorbei, als er auf dem Weg zu seinem Ziel war, welches er mit einer Reihe anderer Leute teilte.
Es war der Platz vor einem Verwaltungsgebäude. Glasfassade. Leblos-trist, wie der Rest der Landschaft. Nur ein leichtes, immer lauter werdendes Rauschen war aus der Menge zu vernehmen. Die Menge, teils maskiert, teils mit Plakaten bewaffnet, kam zusammen an diesen Ort, um für die anstehenden Entscheidungen Argumente vorzutragen: Argumente, die sonst einfach ignoriert wurden. Ehrlich gesagt: Selbst diese Gruppe wollte diese Argumente bereits nicht mehr hören, denn sie war es leid, diese immer wieder vortragen zu müssen. Die zu treffende Entscheidung sollte den Handel stärken, die Wirtschaft ankurbeln und so dem Verbraucher nützen – hieß es von hinter verschlossenen Türen.
„WIR müssen reden, …“ rief er ins Mikrophon, als er endlich auf der Bühne ankam. Er sah viele unbekannte, aber auch zahlreiche vertraute Gesichter. Nach einem kurzen Anschwellen der Lautstärke vor ihm setzte er ruhig fort. „… nicht unter uns, sondern mit den Sheeple um uns herum, Max und Erika Mustermann, die gestresst vom status quo morgens zur Arbeit gehen, um abends erschöpft ins Bett zu fallen, resignierend ob der Lasten, die ihnen dieser Staat, diese Gesellschaft auferlegt hat.“ Er hielt erschöpft inne, um seine bereits schwindende Kraft wieder zu sammeln. „Wenn WIR uns hier zeigen – Präsenz zeigen -, so sollten wir hoffen, eine Mehrheit hinter uns zu wissen.“ Erschrocken fuhr er zusammen. Ihm dämmerte die Absurdität des gerade Gesagten.
Nichts, was er gesagt hat war real. Welche Mehrheit? Für was? Und vor allem: Was sollte sich ändern? Im Versuch, sich erneut zu sammeln schaute er sich um. „Ja was?“, stellte er sich insgeheim selber die Frage, als er in der Menge zahlreiche Geräte erblickte, die ja regelrecht nach DRM, nach Knechtung des Nutzers schrien. Von dieser Gruppe jedenfalls würde er nichts zu erwarten haben. Ob SIE ihn wohl überhaupt verstehen würden? Generell war das gesamte Thema ehe abstrakt, fast bereits ein wenig meta. Wenn er schon den Leuten vor Ort nicht erklären konnte, was diese Entscheidung bedeutet, wie soll Erika Mustermann es dann verstehen?
Nach einer kurzen Atempause fasste er neue Kraft. „Und dazu reicht es nicht, hier zu sein, viele zu sein, sondern wir müssen den Leuten das Thema nahe bringen. Rüttelt die Leute wach, damit sie erfahren, was in diesem Land passiert.“ Und er wurde von schallendem Gelächter unterbrochen. Eine Schemenhafte Figur mit einem ‚[[CITATION NEEDED]]‘-Schild in der Hand rief über den Platz „Aber das wissen die doch schon!“ Und das menschliche Mikrophon wiederholte. Schockiert über diese Erkenntnis, die er sich selbst nie eingestehen wollte, fragte er geknickt zurück: „Wenn sie es wissen, wenn ihr es wisst, wenn jeder dieses offene Geheimnis kennt, … was wollen wir hier?“ Seine Stimme bekam einen bitteren, fast schon verzweifelten Unterton und er betete innerlich, dass jemandem aus dem Publikum ein rettender Einfall käme.
Doch keiner rührte sich. Niemandem wollte der rettende Einfall kommen. Die täglichen Skandälchen, die Sparpakete am kleinen Manne, die illegal geführten Angriffskriege. Ja, alles war bekannt. Wer wollte, bekam seine Nachrichten. Denn dieser graue Brei für die Masse war nur Quote. Insgeheim WOLLTEN die Leute diesen Schund lesen. Doch wer Nachrichten wollte, bekam sie. Eine Zensur findet nicht statt!?
Noch einmal wandte er sich gen grauer Masse, die ob der zahlreichen Masken schon längst ihr Gesicht verloren hatte. „Geht hinaus und sucht Unterstützung,“ bat er, nun fast flehend die Versammlung vor ihm, „denn allein sind wir zu Wenige.“ Noch einmal versicherte er sich ob der Menge vor ihm; gute tausend Mann, überschlug er für sich. „Nur wenn wir ermitteln können, dass wir auf einen Eisberg zusteuern, können wir hoffen, den Kurs noch rechtzeitig zu ändern.“ Sichtlich geknickt und ausgelaugt von seinem Auftritt verließ er die Bühne.
Auf dem nun noch obligatorischen Umzug von A nach B würden wieder viele Passanten ungeachtet vorbeihetzten. Keiner würde ihnen trotz ihrer Zahl Beachtung schenken. 1000 Mann? Es sind wöchentlich mehr Leute bei Brot und Spielen, als das. Zerknirscht folgte er dem Trott, der unter schlecht eingeübten, lausig geführten Sprechchören und in sich uneins versuchte Aufmerksamkeit zu erhaschen.
Sobald er wieder in den 4 Wänden ist, die er sein Zuhause nennt, würde er seine Gedanken niederschreiben, damit ihn andere verbessern können, um SEINE Gedanken weiterzutragen. In Gedanken versunken und wegen der schlechten Akzeptanz des eigentlichen Problems entschied er sich gedankenversunken diesen Trott zu verlassen, als er plötzlich eine Rangelei vernahm.
Da sonst niemand in seiner Umgebung der Situation Beachtung schenkte, entschloss er, sich dieser behutsam zu nähern. Als er jedoch kaum 5 Schritte gegangen war, bemerkte er einen Kreis schwarzer Uniformen um sich herum. Aus der Nähe sah er das eingeschüchterte Opfer. Als die Vertreter des Staates erneut ausholen, wirft er sich vor den Jugendlichen, der wie auch er dieses Land liebt.
Er liebt dieses Land, seine Leute. Er hat nichts auszusetzen an seinem Leben, denn er hat alle Freiheiten, die er sich wünscht, kann tun und lassen was er will; allein frei ist er nicht.
Dankend schaut ihm der Jugendliche ins Gesicht, seine Lippen zu den Worten „Für Veränderung“ geformt, als die Schlagstöcke der Beamten auf seinen Rücken, seine Rippen, seinen Kopf einprasseln. Und er empfängt ihre Schläge mit Genugtuung, denn er weiß sicher: wie auch er, wird alles ein Ende haben. Doch auch er wird nichts verändert haben.
[…] Als indirekte Antwort auf einen Beitrag bei Benny. […]
Pingback by Das Licht | Thoriumware — 15.03.2012 @ 10:56:24
[…] Er hat hier auch eine Eigene Interpretation veröffentlicht: http://blog.benny-baumann.de/?p=1187 […]
Pingback by Zukunft? | Teawork.de — 15.03.2012 @ 10:57:49
[…] schreiben wirklich alle an Geschichten aus […]
Pingback by Blindgänger | Martok's Place — 16.03.2012 @ 04:13:51
Es ist fast 5 nach 5 vor Zwölf….
Wenn ein einzelner nichts ausrichten kann, so kann es eine träge „Nur-Dagegen“-Masse ohne „Wir-wollen“-Ziel auch nicht.
Leider handelt das System äußerst geschickt, sodass sich so einfach nichts ändert und jeder Versuch allein durch die Trägheit im Keim erstickt wird.
Die meisten Leute bleiben lieber auf Ihrem jetzigen bequemen Stand stehen, wenn Sie einen höheren Stand nur durch unbequemes Durchschreiten eines Tales erreichen können…
—
http://www.youtube.com/watch?v=Os_z_vbuODY, dank GEMA zwar nur schlechte Tonqualität, aber dafür guter Text.
@Benny: Kannst du auch (c)-bedingt rausnehmen
Kommentar by adk — 18.03.2012 @ 00:06:32