Nein, dieser Beitrag wird nicht, wie es klingen mag ein Rant über einen Studiengang an einer Hochschule oder gar das deutsche Bildungssystem, denn wenn man als Student einer deutschen Hochschule etwas lernt, ist es, dass man auf den Gegenüber nicht eindrischt, wenn der bereits am Boden liegt. Nun mag es vielleicht seltsam erscheinen, aber gerade Aktionen wie „Uni brennt“, die sich schnell auch grenzübergreifend ausgebreitet haben, zeigen, dass dringender Bedarf für Änderungen am derzeitigen System besteht. Es sind keine vermurksten Reformen wie Bolognia von Nöten, in deren Zuge das Bachelor/Master-System aufoktroyiert wurde, sondern es muss ein genrelles Umdenken geschehen, um Deutschland wieder zu dem zu machen, für was es mal Stand: Einen Hort der Gebildeten, ein Land der Dichter und Denker.
Doch wo soll man anfangen, ohne mit jedem gut platzierten Wort eine Fassade einzureißen, und mit einem Treffer gleich das gesamte Kartenhaus in sich zusammenfallen zu sehen. Es mag vielleicht seltsam klingen, doch das Besinnen auf das Alte kann durchaus nützlich sein. Denn was es braucht, ist nicht blinde Destruktivität, sondern konstruktive Baupläne, die das marode Kartenhaus renovieren und auf ein solides Fundament stellen. Wenn bei dieser Renovierung aus dem schnöden Kartenhaus dabei ein Palast entsteht: Umso besser!
Wohin soll die Reise gehen? Was ist es, was für eine starke Wissenschaft von Nöten ist? Denn reiner Aktionismus ist in dieser Lage das Schlimmste, was man tun kann; unüberlegt die vorhandene Chancen vergeben, ohne diese auch nur zu erwägen. Denn an Kritik und Ideen fehlt es ganz im Gegenteil nicht.
Geht man klassisch als unvoreingenommener Abiturient in ein Studium, so geschieht dieser Schritt häufig unter der Prämisse der Bildung oder der Verbesserung der eigenen Chancen. Nun sind die genannten Ziele jedoch diametral zueinander aufgestellt, da in der Regel nicht das sture Auswendiglernen von Fakten, sondern das gekonnte Anwenden von Zusammenhängen ein Zeichen der Reife darstellt und somit ein Zeichen für Bildung darstellt. Wer jedoch auf egoistischen Bahnen sein Studium beschreitet, neigt jedoch oft gerade zum Ersteren: Es wird geschluckt, was geboten wird, ohne zu hinterfragen, ohne die Zusammenhänge kennen zu wollen. Der Erringen von Verständnis für die Welt wird vom Ziel degradiert zum puren Mittel zum Pflastern des eigenen Weges. Wissen ist nicht länger das Gut, dessen erlangen den eigenen – und sei es rein eigenen – Erfolg kennzeichnet.
Der Student degeneriert zum reinen Behältnis, in das man, den passenden Trichter vorausgesetzt, Belanglosigkeiten, die als Wissen verkauft werden, hineinstopfen kann. Und die Saugwirkung dieses Schwammes nennt man dann Bildung und Quantifiziert sie durch Noten, die nichts über die Qualität des Verständnisses, die Quantität der erkannten Zusammenhänge, noch den Charakter aussagen. Ein Student ist keine Maschine, die zu funktionieren hat, auf Knopfdruck Gelerntes reproduziert.
Sondern Studenten sind Menschen, sind soziale Wesen, die nicht als Maschine im Dienste der Wirtschaft abgestellt werden, um als Ersatzteillager zu dienen. Man erzeugt Reibung durch Enge; quetscht das letzte Bisschen Leistung heraus, bis man am Ende vollgesogene Schwämme vor sich liegen hat, die willfährig nach der Pfeife ihrer Vorgesetzten tanzen. Nicht ein gesundes Miteinander auf gleicher Augenhöhe ist gefragt, sondern das Erzwingen der alten Hierarchien. Ist das fröhliche Gegeneinander perfekt, ist man auf dem besten Wege, die Ellbogen-Mentalität festzusetzen und damit den sozialen Aspekt zu beerdigen.
Auch Kreativität ist störend, denn sie ist die Schwester der Neugier: Während die gesunde Neugier die Triebfeder für die Forschung ist, ist die Kreativität deren praktische Ausführung: der Grundstein für Innovation. Doch das scheint gar nicht gewünscht? Denn sowohl die Neugierde wie auch die Kreativität brauchen Zeit; Zeit, die man den Studenten nicht lässt, nicht lassen will. Denn kreative Prozesse sind zu großen Teilen unproduktive Zeit – ein Gut, was man scheinbar nicht investieren möchte.
Und so wird jede Sekunde des Studiums verplant. Nicht allein das Eintrichtern des Wissens erfolgt nach Plan, auch das Sackenlassen, um Platz zu schaffen erfolgt rein methodisch! Für jede Stunde Trichter gibt’s zwei Stunden zum Festigen. Freizeit? Ist nicht. Nebenjob? Das Problem des wandelnden Datenspeichers.
Aber halt! Denn diese Darstellung ist nur die halbe Geschichte, die, würde der Bildungsplatz existieren, zwar schlimm, jedoch nicht unüberwindbar wäre. Limitiert man jedoch das Angebot, fordert aber über dieses hinaus den zu erreichenden Füllstand, so ist dies verlogen: In Sagen mag ein Fisch zum Speisen einer Gesellschaft vielleicht reichen, in der Realität wurde dieses Kunststück jedoch noch nicht vollzogen. Und so kann man nicht erwarten, dass jeder zum Befüllen mit Wissen erscheint, wenn für ihn kein Platz vorgesehen ist. Anstatt nun aber etwas gegen die erkannte Problematik zu tun, doktort man an Symptomen, verschreibt Placebos und erehbt Abgaben auf das verknappte „Wissen“: Kurzum man deklariert gesellschaftliches Gut zu Privateigentum und hofft auf zahlreiche Nachfrage.
Bleibt diese jedoch aus, oder wird man gar für dieses Vorgehen kritisiert, weicht man aus oder ignoriert den Störenfried: Nichts ist schlimmer, als wenn sich die eigenen Konsumenten organisieren. Man möchte schlicht nicht, dass die Konsumenten über die Art der ihnen angebotenen Dienstleistung mitbestimmen. Mündige Gegenspieler sind nicht gefragt, da das festgefahrene Modell nicht durch Änderung, sondern Stagnation lebendig gehalten wird. Und so entmachtet man seine Konsumenten, um immer weiter mit wenig Aufwand zu melken, Kreativität zu zerstören und mit veralteten Mitteln die Änderung doch noch ein wenig hinauszuzögern.
Was man hierbei säht, erntet man auch: Mittelklassige Nachschlagewerke, die nicht denken, sondern auf Zuruf vorgefertigte Lösungswege ausführen. Und man freut sich, während man seelenruhig auf den Abgrund zurennt!
In die gleiche Kerbe hat vor einiger Zeit auch der (Uni)Spiegel geschlagen:
http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,675629,00.html
Mit der erstaunlichen Erkenntnis, dass nicht mal die Industrie mit den extra für sie gezüchteten Arbeitsbienen was anfangen kann. Eben weil die nicht in der Lage sind, selbstständig irgendwas zu entscheiden.
Fand ich ja doch interessant, dass *gar keiner* mit der aktuellen Situation zufrieden ist.
Kommentar by Martok — 19.02.2010 @ 04:48:51