Wenn man sich in diesem Lande umschaut, so erblickt man in Bezug auf Politik in der Regel genau eines: Verdrossenheit. Nicht, dass alle unpolitisch wären, oder dass ihnen dieses Land egal wäre; auch dass keiner eine Meinung hätte, kann eigentlich nicht sein. Die Politik bestimmt unser gesamtes Leben, umgibt uns jeden Tag. Doch was sie nicht vermag, ist bei den Menschen anzukommen, außer als zu bekämpfendes Feindbild. Politik scheint nicht mehr für die Menschen, sondern über die Menschen hinweg entschieden zu werden.
Doch in den letzten Jahren scheint sich etwas geändert zu haben. Etwas, von dem viele nicht mehr so recht zu vermuten geglaubt haben, dass es noch passieren würde: Eine ganze Generation bisher relativ unpolitischer, junger Menschen sind aktiv geworden, um einem Teil der Gesellschaft entgegenzutreten, der sie bereits abgeschrieben hatte. Und da totgeglaubte länger leben offenbart die nun einsetzende Kraft ihr volles Potential: Die Jugend wird politisch!
Womit dieser Wandel angefangen hat,wird wahrscheinlich ein Streitfall für Geschichtswissenschaftler werden; und womit es endet ist derzeit noch nicht abzusehen. Allein eines ist gewiss: Je länger diese Gruppe ignooriert und übergangen wird, desto heftiger wird der von ihr ausgehende Gegenwind werden. Doch wer sind diese Gruppe und vor aallem: Was wollen sie?
Ein frischer Wind weht durch’s Land. Wieder eine Demonstration geschafft – auf zur nächsten. Und wenn gerade einmal keine Zeit ist für große Aktionen, so organisiert man sich im kleinen. Spielt das aus, was man am besten kann: Sich sozialisieren. Sozialisieren in seiner Umgebung, nicht nur räumlich, sondern vor allem sozial. Man vernetzt sich online, um Informationen offline weiterzutragen. Weiterzutragen, was auf normalem Wege unterdrückt werden würde. Seien es geheime Dokumente oder Verhandlungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit – jener Öffentlichkeit, gegen die diese Gesetze gemacht sind; denn eines ist sicher: Wären sie für ein gesellschaftliches Vorankommen gestaltet, könnte man zum Wohle der Gesellschaft aller offen darüber diskutieren. So aber unterhalten sich einige Wenige – Ewiggestrige – über die Erhaltung des Status Quo, die Maximierung ihres Profits, die Unterdrückung der Gerechtigkeit.
Genau hier stören Außenstehende – Unvoreingenommene – die nicht geblendet durch den beim politischen Arschkriechen antrainierten Egoismus nur sich selbst und ihre Gönner im Blick haben, sondern stattdessen noch versuchen, ihre Ideale einer gerechteren und lebenswerteren Welt umzusetzen. Manche dieser Beobachter mögen durchaus naiv sein, doch keinesfalls so engstirnig, dass sie nicht verstehen würden, was sich um sie herum abspielt. Viele haben durchaus verstanden, dass es gilt, eine Änderung herbeizuführen, statt tatenlos mit anzusehen, wie immer die gleichen sich auf Kosten anderer bereichern.
In eben dieser Erkenntnis gefangen stagniert das Räderwerk der Politik, die die vergangenen Jahre so ruhig und geschützt vor dieser Öffentlichkeit ihres Handelns agieren konnte; die jederzeit in Hinterzimmern aushandeln konnte, was der nächste Schritt im Masterplan ist. Und die Politik wählte die Angst als Mittel der Leute. Angst vor dem Terror, Angst vor dem Andren, Angst vor sich Selbst. Schuf eine Spirale des Wahns und versprach trügerische Sicherheit. Placebosicherheit. Sie nannte es „Krieg gegen den Terror“ und doch war es genau das: Terror.
Ich habe keine Angst vor Ausländern, keine Angst vor meinen Nachbarn; denn ich weiß, dass es nichts zu befürchten gibt. Der einzige Terror geht von denen aus, die ach so leumündig dafür einzustehen behaupten, eben diesen zu bekämpfen. Aber ist ja irgendwie auch logisch: Um etwas zu bekämpfen, muss es erst einmal geschaffen sein. Wenn es nicht existiert, schafft man es sich halt.
Unter dem Vorwand dieser erlogenen Gefahr sichert man sich sein eigenes Fortkommen, seinen Einfluss. Und liefert die versprochene Sicherheit in Form von Grundrechtseinschnitten und Überwachung. Tastet sich jedes Mal auf’s Neue an die Grenzen der Verfassung eben jenes Staates, dem man Treue geschworen hat! Zu dessen Verteidigung man sich verpflichtet hat Doch am Ende folgen nur immer weitere Einschränkungen – jedoch nie für einen selbst. Man liebe uns ja alle. Doch der unbedacht vermittelte Eindruck ist ein anderer.
Man holt sich Berater – und ignoriert sie. Man lässt das Volk betteln – und verhöhnt sie. Man verrät sie und verarscht sie. Und am Ende hat man Bauchschmerzen von den eigenen „Entscheidungen“, die im Endeffekt nur willfähriges Abnicken der im Geheimen diktierten Linie waren. Man simuliert Demokratie und wundert sich, dass keiner im Publikum sich so recht beteiligen mag.
Stattdessen setzt sich das Publikum zur Wehr. Zur Wehr gegen die immer gleichen Forderungen der Politik, die Freiheit und Aufrichtigkeit des Einzelnen zu untergraben, jeden gegen jeden auszuspielen und am Ende als Unwertes Arbeitsvieh den Profit der wenigen zu erwirtschaften. Man engagiert sich im kleinen, um den Großen zu zeigen, was der Wille des Souverän ist: Eine Gesellschaft der Toleranz aller, ohne unter Generalverdacht seiner Freiheit beraubt zu sein. Eben jener Freiheit, der Politik wann immer diese ihre Stellung missbraucht, einhalt zu gebieten. Eben jener Freiheit, die diese junge Generation von Bürgern aller Schichten bisher ungenutzt verstauben lassen hat.
Nach langem Schlaf setzt nun das Erwachen ein. Der Unmut über das Ignoriert-Werden, das Ausgespielt werden manifestiert sich. Da erste zaghafte Versuche, auf direktem Wege etwas zu ändern verhallten, politisierte man sich. Man gründete Arbeitskreise, Organisationen und schließlich Parteien. Man erhob seine Stimme gegen den unaufhörlichen Kanon an Forderungen nach Unterdrückung und Ausbeutung – und fing an, erste Zeichen zu setzen.
Statt im Kleinen Änderungen zu erbetteln, gruppierte man sich und zwang durch die Masse zu Veränderungen. Man forderte ein, was einem Jeden rechtmäßig zustand. Klagte gegen Online-Durchsuchung, Flugsicherheitsgesetz, den großen Lauschangriff, Fluggastdatenspeicherung, … Um schließlich durch schiere Masse auch die Vorratsdatenspeicherung vorläufig aus dem Weg zu räumen und durch seine Erfolge bestärkt an die immer neuen – jedoch nach dem gleichen Muster gestrickten – Gesetzesvorhaben vorzugehen.
Die Masse dieser Bewegung spielt dabei eine wesentliche Bedeutung, denn sie war es, die das Überraschungsmoment, aber auch die Handlungsnotwendigkeit gegen ein Gesetz begründeten. Es waren 35200 Menschen, die sich nicht überwachen lassen wollten, 134000 Menschen, die für ihre Freiheit eingetreten sind – beides Erfolge, mit denen nicht einmal man selbst gerechnet hatte. Und auch wenn es wie Sysiphus-Arbeit oder den Kampf gegen Windmühlen ausschaut, so ist das Erheben der eigenen Stimme doch Bürgerrecht und sogar Bürgerpflicht in einer Demokratie, so sie denn funktionieren soll.
Es ist weniger die Frage, was ein einzelner Protest bringt, sondern ob man bereit ist, seine Meinung und seine Vorstellung von einem besseren Staat auch gegen Rückschläge zu verteidigen und weiterzukämpfen. Daher wahr ich doch recht verwundert, als jemand in meiner Umgebung resignierend feststellte, wozu er denn unterstützend wirken sollte, da es doch eh nix bringe. Ob er Recht hat, kann man schlecht sagen, doch ohne zu kämpfen bereits aufzugeben, stellt ihn bereits jetzt in die Ecke der Verlierer.
Wer kämpft, kann verlieren.
Wer nicht kämpft, hat verloren.
Wieso hältst du mich eigentlich schon wieder mit einem genialen Artikel von der Arbeit ab 😉 ?
Wie wäre es denn noch, im ersten Absatz statt „für die Menschen“ „mit den Menschen“ einzusetzen? Das muss schließlich unser Ziel sein!
Kommentar by Nik — 22.03.2010 @ 09:50:24
Ob nun für oder mit kann man auf zwei Seiten sehen und je nachdem, welche Wahl man trifft, ist das Resultat ein anderes:
– Möchtte man Politik „mit den Menschen“ bezieht dies zwar prinzipiell ersteinmal jeden rein von der Möglichkeit der Beteiligung mit ein, sorgt aber nicht automatisch dafür, dass auch jeder in den getroffenen Entscheidungen repräsentiert ist. Dieses Modell ist ungefähr damit vergleichbar, wenn man Entscheidungen nach dem Mehrheitsprinzip trifft, wo die Minderheit nicht zu gunsten eines Kompromisses nachgibt, sondern, weil sie der Mehrheit unterlegen ist.
– Betreibt man hingegen Politik „für die Menschen“ ist nicht zwingend gesagt, dass jeder unmittelbar an der Entscheidung beteiligt sein muss, solange er, bzw. seine Interessen in das Endergebnis mit einfließen. Dies entspricht besser den Möglichkeiten einer indirekten Demokratie als der direktdemokratische Ansatz und ist i.d.R. einfacher auf Entscheidungen mit vielen Betroffenen anzuwenden. Nachteilig wirkt sich hieran jedoch aus, dass dieser Punkt ein gewisses Maß an sozialer Verantwortung für andere voraussetzt – also dem egozentrierten Entscheidungsprozess aus Option an vielen Stllen widerspricht.
Insgesamt bevorzuge ich dennoch den zweiten Ansatz, da ich der Meinung bin, dass gesellschaftliches Zusammenleben das Verständnis für die Sorgen und Bedürfnisse des Anderen zwingend voraussetzt, wenn man über die Gesellschaft als graue Masse gleichartiger Individuen hinausgehen möchte.
Kommentar by BenBE — 22.03.2010 @ 17:09:31
FULL ACK!
Dein Blog mutiert zu meinem lieblings Blog , weiter so!
Kommentar by Jesse Klugmann — 22.03.2010 @ 19:46:39