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01.03.2010

Datenschutz deluxe

Filed under: Allgemein — Schlagwörter: , , , , — BenBE @ 22:50:52

Seit dem Wintersemester 2009/2010 gibt es bei uns an der Hochschule eine zentrale „multifunktionale Chipkarte“, mit der zahlreiche Dinge an der Hochschule erledigt werden können, was gegenüber den 3 Benötigten Charkarten (Biblio, Mensa, Türkarten) doch bereits eine Verbesserung darstellt. Aber wie so oft, krankt es an der Umsetzung heftigst. Und nicht nur, weil die Karte mit RFID ausgestattet ist.

Aber gehen wir der Reihe nach. Wer vor dem WS 2009/2010 angefangen hat, erhielt einen Studentenausweis in Papierform, den er sich als Aufkleber auf eine Stabile Karte anbringen konnte. Dieser beinhaltete als Aufdruck alle nötigen Informationen zu Studiengang, Semester Matrikelnummer und eine Reihe anderer wichtiger Informationen.

Neben diesem Studentenausweis erhielt man für die Nutzung der Bibliothek einen Bibliotheksausweis, der in Form einer Plastikkarte daherkam und die Persönliche Information über einen Barcode auslesbar machte. Außer dem Namen und einer Unterschrift war auf dieser Karte nichts Personenbeziehbares gespeichert, wenn man von den hinter dem Barcode liegenden Angaben absieht. Jemand der den Bibliotheksausweis zufällig in die Hände bekam, konnte mit diesem reichlich wenig anfangen.

Ferner wird nahezu jeder Student eine Mensa-Karte gehabt haben, da es mit dieser gegenüber einer Barzahlung 15 Cent günstiger je Bezahlung in der Mensa war. Angepriesen wurde diese mit „geht schneller“, was sich in der Praxis jedoch nie so wirklich bestätigt hat. Auch bei der Mensa-Karte handelte es sich um eine Plastikkarte, die jedoch einen RFID-Chip beinhaltete. Die auf diesem Chip gespeicherten Informationen waren keinem wirklich klar, dürften aber neben dem Kontostand auch eine Verknüpfung zum Nutzer beinhaltet haben; also auf den Eigentümer zurückführbar gewesen sein.

Zusätzlich gab es, wenn man auch Abends in die Gebäude der Hochschule gelangen können musste (z.B. Zugang für’s Rechenzentrum und Gebäude des Fachbereichs) die Möglichkeit, sich eine Zugangskarte zu organisieren. Auf dieser war lediglich die Kartennummer gespeichert, anhand derer man sich an den Türöffnern authorisieren konnte.

Doch warum schreib ich die alte Situation, wenn es doch jetzt die wunderbare „multifunktionale Chipkarte“ gibt? Kurzum: Weil diese ein Disaster ist – und das nicht nur, weil ich RFID ablehne, sondern weil diese alle oben beschriebenen Funktionen in einer Karte kombiniert und einem dabei die Nutzung aufzwingt.

Konnte man früher in der Bibliothek die Kopierer noch via Münzeinwurf benutzen, muss man nun diese Schnüffelkarte dafür heranziehen, da diese jegliche Bezahlfunktionen der Hochschule kombiniert. Sei es nun Mensa, Bibliothek, Kopierer oder sonstwo: Konnte man sich also früher unabhängig anonym in der Hochschule bewegen, ist man nun jederzeit ein Profil. Es ist erfassbar, wieviel man für welche Dienste der Hochschule ausgibt, wann man wieviel einzahlt und wann man es ausgibt. Klassische Zahlung per Münzeinwurf wurde abgeschafft.

Ebenso die Security. War früher das Login in der Bibliothek lediglich über die Matrikenummer der Hochschule zuzuordnen, ist nun ein gesamtes Nutzerprofil an den Studenten gebunden. Dieses war nach der alten Regelung über die Kartennummer (stand auf dem Bibliotheksausweis) oder die Matrikelnummer erreichbar und besaß ein eigenständiges, frei wählbares Passwort.

Dieser Schutz wurde im Zuge der Einführung der Schnüffelkarte aus technischer Unfähigkeit praktisch abgeschafft, da wegen der Synchronisierung mehrerer Datenbanken das Geburtsdatum des Studenten als Login für die Bibliothek erzwungen wird und regelmäßig automatisch resettet wird. Praktischer Weise stehen alle Benötigten Informationen für ein Login auf der Schnüffelkarte im Klartext: Wer also den Studentenausweis eines Kommolitonen zufällig zu Gesicht bekommt und es schafft, Matrikelnummer und Geburtsdatum zu lesen, hat einen Freibrief, um mit dem Account des Opfers seinen Spaß zu haben. Vorausgesetzt, er erfährt das Geburtsdatum nicht sowieso (Ey, Passwörter sollten NICHT erratbar sein!) und scheitert auch nicht daran, die Matrikelnummer zu ermitteln (auch das stellt mit etwas Recherche kein Hindernis dar).

Zusätzlich zu Geburtsdatum und Matrikelnummer steht auf der Karte der Name und ein Gültigkeitsdatum. Wobei das mit dem Gültigkeitsdatum so ein Lacher für sich ist: Denn dieses ist elektronisch auf der Karte gespeichert und kann vom Studenten selber nach ordnungsgemäßer Immatrikulation selbstständig aktualisiert werden. Nur schade, dass dann das aufgedruckte Datum und der gespeicherte Wert durchaus 3 Jahre divergieren können. Aber was soll’s, bei so viel Technikgläubigkeit wird es sicherlich witzig, sobald jemand mal Schreibzugriff auf der Karte erhält und das dann gleich vollständig anpasst.

Ich jedenfalls verweiger mich dieser Schnüffelkarte und habe lieber für jeden Zweck meine spezifische Karte in der Tasche, statt jederzeit über eine zentrale Datensammelstelle erfassbar zu sein. Und dann nehm ich es auch in Kauf, mir schiefe Blicke von den Bibliotheksangestellten einzufangen, weil ich nicht über eine RFID-Karte am Kopierer bezahlen möchte, und erkläre ihnen auch gerne die zahlreichen Nachteile. Mal ganz davon abgesehen, dass mit etwas Social Engineering man auch ohne die Karte mit zu haben man problemlos Bücher ausgeliehen bekommt, wenn man die Angaben auf seiner Schlüsselkarte auswendig kennt.

P.S.: Anhand der auf der Karte stehenden Informationen kann man jemandem (in Kombination mit paar anderen mehr oder weniger öffentlichen Datenquellen der Hochschule) einen vollständig ausgefüllten Exmat-Antrag schreiben, der nur noch unterschrieben werden muss. Mit dem alten System bedurfte es hierfür zwar auch einem Blick auf den Studentenausweis, dieser war einem jedoch – da nur für die Verwaltung benötigt – wesentlich schwerer zugänglich.

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3 Comments »

  1. Das ist ja mal wirklich genial vergeigt.

    Bei uns gibts zwar auch eine Alles-Karte, da ist aber wesentlich weniger offen ersichtlich. Aufgedruckt sind nur Name, MatNr, ein schlechtes Foto und ein Barcode (mit Nummer, die nix offensichtliches mit der Matrikelnummer zu tun hat. Muss aber mindestens eine Einweg-Verknüpfung existieren, da die in Prüfungen gescannt werden).
    Drunter noch das Aktivierungsdatum, auf einem Thermo-überschreibbaren Feld. Das wird am Semesteranfang gemacht, und validiert damit die Straßenbahn-Flatrate.

    Außerdem gibts noch eine RFID-auslesbare Geldspeichermethode. Da ist wirklich nicht mehr drauf als der Betrag, behauptet zumindest das Studentenwerk. Und die Reichweite ist netterweise kleiner 5cm. Man muss schon wirklich nah ran (mal in der Mensa und im URZ probiert)

    Türöffner werden über den Barcode bedient. Die haben alle einen Scanner, da dran hängt eine DB die weiß wo man Zugang hat.

    Auch nicht optimal, aber wesentlich weniger Daten verraten als bei euch. Und man kann nicht einfach irgendwelche Machenschaften treiben.

    Dafür haben wir einen anderen Epic Fail: jeder kann das URZ-Druckkontingent von jedem einsehen, ohne irgendeine Authentifizierung. Man braucht nur den LDAP-Usernamen. Und der ist einfach vorhersagbar 😉

    Kommentar by Martok — 01.03.2010 @ 23:57:51

  2. Also bei uns bekommt man den anhand einer Suche im LDAP, wenn man den Vornamen+Nachnamen oder halt andere Merkmale kennt. Dafür ist LDAP ja schließlich da. Wobei das mit dem Druckkontingent zwar nicht ideal, aber bei weitem weniger kritisch ist.

    Die Story mit dem Exmat-Formular hat bei uns gerüchteweise wirklich mal jemand gemacht; das „Opfer“ stand irgendwie bereits auf Kippe, war aber dennoch über diese Arbeitserleichterung nicht sonderlich erfreut. Das war aber noch zu Zeiten vor der Einführung der aktuellen Ausweise. War also dementsprechend ein wenig mit Arbeit verbunden und nicht so ideal massentauglich, wie jetzt.

    Unsere Ausweise hab ich von der Reichweite noch nicht getestet, wenn man aber mal entsprechende Hardware voraussetzt könnte das trotzdem ~10-50cm reichen. Standard sind auch bei uns <5cm, aber einen merklichen Spalt kann man durchaus halten.

    Kommentar by BenBE — 02.03.2010 @ 00:51:56

  3. Ganz so kann ich diesen Beitrag nicht stehen lassen. Natürlich werden auf der Karte relativ viele personenbezogene Daten aufgedruckt, allerdings nicht mehr als beim „alten“ Studentenausweis. Auf der Chipkarte selbst werden keine Daten abgespeichert, außer die Kartennummer selbst und diese sogar verschlüsselt (zumindest wurde uns das so versichert). Falls dem nicht so ist, würde ich mich über einen Beweis freuen. Das Gültigkeitsdatum ist ebenfalls nicht elektronisch auf der Karte gespeichert, sondern nur auf der Karte aufgedruckt und wird beim „Validieren“ überdruckt (mittels Thermofeld). Die Handhabung in der Bibliothek war mir so nicht bekannt und ist natürlich sehr fragwürdig. Es klingt im Text so als wäre ein Barcode sicherer bzw. besser als diese Karte, dass würde ich stark anzweifeln, da für die Kopie eines Barcodes nicht mal ein Kartenleser vorhanden sein muss. Über RFID kann man geteilter Meinung sein. Ich finde es auch nicht toll unbedingt alles kontaktlos machen zu wollen, allerdings ist es ein Kompromiss. Die Karte beruht wenigstens nicht auf alter Technologie sondern ist dem Stand der Technik angepasst. Bei vielen Hochschulen bzw. Universitäten werden noch Karten alter Technologie verwendet. Diese Karte wird nicht zum Schnüffeln bzw. zur Profilisierung unserer Studenten verwendet, schließlich gilt für die Hochschule das Datenschutzrecht des Landes. Außerdem dient die bargeldlose Bezahlung der Kostenersparnis in der Verwaltung der Hochschule, es wird an weniger Stellen Geld aufgeladen als vorher an vielen Druckern. Im Großen und Ganzen kann man sich auch vorher richtig Informieren bzw. Nachfragen, bevor man etwas kommentiert das man nicht kennt. Dennoch bin ich über jeden Betrag dankbar.

    Kommentar by Jens Rabe — 28.06.2010 @ 13:33:54

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