BenBE's humble thoughts Thoughts the world doesn't need yet …

03.05.2012

Neubings für Einsteiger

Filed under: Politik und Philosophie — Schlagwörter: , , , , — BenBE @ 02:18:40

Eigentlich war dieser Ausflug nach Neumünster in der Form zwar nicht gedacht, aber wo die nette Begleitung so lieb danach gefragt hatte, konnte ich mich dann doch nicht verschließen. Und so hieß es am Samstag, den 28. April bereits um kurz nach zehn das Bett zu verlassen und in Richtung Bahnhof aufzubrechen, von wo aus wir zur Holstenhalle in Neumünster – unter Piraten auch unter Neubings oder Neumonster bekannt – fahren wollten.

Am Bahnhof angekommen, stärkten wir uns erst einmal, bevor wir uns kurz Unterstützung beim Navigieren zur Haltestelle holten. Da unser Ticket im Regionalbus aber nicht ohne Aufpreis genommen worden wäre, ging es dann doch kurz mit der Bahn zum Zielort, auch wenn diese gegenüber dem Bus eine deutlich höhere Packdichte aufwies.

Als wir kurz nach 12 auf dem Parteitagsgelände aufschlugen, war auf den ersten Blick nicht viel zu erkennen, außer einer riesigen, menschenleeren, aber mit zahlreichen Autos dicht zugeparkte Stellfläche, sowie ein unscheinbares Bild, welches zum Eingang nach links verwies.

Trotz dem in dieser Richtung nicht wirklich ein Gebäude stand, folgten wir dann doch der Fassade in der beschriebenen Richtung und erblickten dann auch bald die ersten orangen Fahnen, sowie zahlreiche geschäftig umherwuselnde Piraten.

Wohnwagen ganz im Stile der Partei

Nach dem Betreten der Halle begann dann jedoch erst einmal das große Suchen nach der Information; In der Vorhlle stand zwar eine provisorisch aus 5 Tischen zusammengestllte Ecke, die vormals die Information und die Akkreditierungsstelle gewesen hätte sein können, aber leider war niemand anzutreffen, der einem an dieser Stelle hätte aushelfen können. Also zogen wir unsere Kreise durch die Halle, bis wir schließlich links neben der Bühne das gewünschte Personal erblickten. Während meine Begleitung sich mit Mitgliedsausweis bewaffnet ihre Stimmkarten erbeutete, suchte ich nach einer passenden Sitzgelegenheit; erst aber, als auch meine Begleitung wieder aufgeschlossen hatte, wurden wir in der Nähe von Wahlurne 35 (von der Bühne aus links, etwa in der Mitte des Raumes) fündig und packten unser Gepäck, was – piratentypisch – aus zahlreichen Elektronik-Gegenständen, einer Steckdose und Netzwerkkabeln bestand. Dabei fand der 10-Fach-Verteiler zwar keinen reißenden Absatz, bot aber für den Fall der Fälle auch für andere am Tisch sitzende Mitpiraten noch genügend Möglichkeiten zum Energietanken.

Schlechter sah es da schon mit der Netzwerk-Versorgung aus: Zwar wurde im Vorfeld getwittert, dass es 802.11 geben soll, aber mit ungefähr gefühlten 42 WLANs pro verfügbarem Kanel war für Datenpakete kein Durchkommen. Auch lokal aufgespannte Ad-hoc-Hotspots des Handies halfen da nicht viel. Der Ether war einfach zu dicht vernetzt! Also kurz bei den Tischnachbarn umgeschaut, zahlreiche Wired-LAN-Kabel erblickt und diese zum nächsten Switch verfolgt. Dieser platzte bereits aus allen Nähten, da jedoch eines der angesteckten Kabl gerade idlete, wurde dieses kurzfristig präemptiv suspended und durch ein längeres ersetzt. Als diese Resource wieder benötigt wurde, wurde dann das Kabel bis zum übernächsten Switch verlängert, was idealerweise exakt von der Länge her reichte.

Während wir uns am Tisch noch einrichten, war der Parteitag bereits im vollen Gange. Also hie´ß es im Hintergrund immer mit auf die gerade behandlten Themen achten und immer mal auf den gerade behandelten Tagesordnungspunkt achten. Der erste wichtige war hierbei die Aufstellung der Kandidaten zur Wahl des Bundesvorstandes. Bevor es hier aber um die Kandidaten ging, die sich zur Wahl stellen wollten, wurde das Howto „Wie wähle ich“ abgehalten, um jedem Piraten zu erklären, was Approval Voting ist und wie das denn so funktioniert. Auch das Prozedere, dass bitte (auch die Medien) während der Abstimmungen bitte keine Filmaufnahmen anzufertigen sind, wurde hier noch mehrfach ausgerollt. Als Kompromiss gab es aber wenigstens das Angebot, für Symbolfotos auf Anfrage gern im Pressebereich bereitzustehen, so dass auch die Medien ausreichend Bildmaterial zum Füllen ihrer Artikel vorzeigen können. Eher martialisch war hingegen das Angebot für Nichtwahlhelfer, die einen piratentypischen Haken haben wollen: Einmal in die Wahl pfuschen und es gibt vom Wahlleiter persönlich die Captain Hook-Protese 😉

Nachdem das grundlegende Wahlprozedere abgehandelt war, eröffnete Herr Urbach die Kandidatenlisten, wobei jeder Kandidate neben seinem Wunsch zu kandidieren noch 20 Unterstützer finden musste. Streitigkeiten gab es hier gleich mehrfach: Zum einen beschwerten sich einige Unterstützer in Bezug auf den Verbleib der Unterstützer-Unterschriften (im späteren Verlauf als Teil des Wahlprotokolls aufgehoben) sowie den auf Nachfragen an Herrn Urbach teilweise recht rauen Ton; aber dafür gibt es ja die AG Flausch.

Neben den reinen Aneck-Punkten bzgl. der handelnden Akteure gab es aber auch noch einige organisatorische Streitpunkte, die bis zum Schließen der Kandidatenlisten geklärt wurden. Da einige Kandidaten auf Grund der benötigten Mindestanzahl an Unterstützerunterschriften quer im Raum wuselten, war es mit unter schwierig, wenn Piraten diesen ihre Unterstützung zukommen lassen wollten, was jedoch mit einem kurzen „Ihr dürft euch vorne an der Bühne treffen“ recht elegant gelöst wurde. Zudem wurde die Anforderung auch dahingehend gelockert, dass man sich zwar bis zum Schließen der Kandidatenlisten aufstellen musste, für das Erbringen der Unterstützerunterschriften aber noch etwa eine Stunde mehr – bis zum Beginn der Wahlgänge – Zeit bekam. Mehr Trubel verbreitete da schon die Wahlurne im Pressebereich, die nur für Vertreter der Presse zugänglich war und sich damit der Kontrolle durch Gäste oder Nicht-Journalisten verschloss. Um hier der Gefahr von Problemen bzgl. Transparenz aus dem Weg zu gehen wurde diese nach Abstimmung der Anwesenden für alle sichtbar in den Durchgang zum Pressebereich gestellt, so dass diese auch für Gäste beobachtbar wurde.

Als es dann schließlich zu den Wahlen kam, konnte man recht deutlich beobachten, warum das auch bei Bundestagswahlen nie klappt: „Wir sind im ERSTEN Wahlgang, wir verwenden Stimmzettel ZWEI.“ Ursache für diesen Fail war, dass an einigen Urnen bereits Stimmzettel in den Urnen landeten, BEVOR der Wahlgang eröffnet wurde. Naja, passiert halt in der besten Demokratie 😛 Als dann bei einigen Leuten auf der Stimmkarte Wahlgang 3 statt 2 angekreuzt wurde, wurde dann die Wahl noch einmal auf Stimmzettel 6 wiederholt. Wer nämlich auf Stimmzettel 4 hoffte, muss an dieser Stelle enttäuscht werden, da dieser den Weg zu einer ausgezählten Wahl nicht finden sollte: Bei einigen fehlte dieser schlichtweg auf Grund eine Produktionsfehlers der Stimmblöcke. „Das ist garantiert das letzte Mal!“

Aber statt groß die einzelnen Events und Vorgänge aufzuzählen, die es sonst den ganzen Tag über gab, verweise ich hier einfach einmal auf die Flaschenpost, die auch ein wunderbares Panorama zur Atmosphäre vor Ort bereithällt:

Wenn man sich das Bild anschaut, fällt zum einen die große Hektik aller beteiligten auf, was das Mitverfolgen sowohl der Versammlung als auch des Twitter-Feeds nicht unbedingt vereinfachte. Aber immerhin war mindestens der Twitter-Feed unterhaltsam, und sei es, weil sich ein Kandidat in seiner Kandidatur-Rede dem Problem der „demographischen Windel“ annehmen wollte. Oder aber das Hive-Mind diskutierte über die Kosten einer Redeminute, die verbrannt werden, während ein Kandidat ERST seine Kandidaturansprache hält, um diese dann doch im letzten Satz (am Ende seiner 3 Minuten Redezeit) zurückzuziehen. Für’s Archiv: 50 Euro/Minute. Wobei Twitter hier eindeutig die bessere Zusammenfassung lieferte: „Hallo, ich bin irgendjemand, fühle mich extrem wichtig und wollte nur auch nochmal nix neues sagen. #bpt12“

Mit fortschreiten der Veranstaltung wurde es auch immer schwieriger allem zu folgen, da selbst als Gast die gleichzeitige Konzentration auf durchschnittlich 4 verschiedene Dinge (Bühne, Twitter, Tischdebattten und den Füllstand der Mate-Flasche vor einem) mit der Zeit anstrengend wurde. Dies sah während der 3. Wahl (AKA Wahlgang 7) auch eine der Wahlurnen so, weshalb sie empirisch Newton’s Gesetze überprüfen wollte und während der Wahl mal eben vom Tisch kippte. Naja: SIEBEN ist halt auch so ne Unglückszahl! „Und mir sind die Leute, die den Zettel 7 nicht mehr haben jetzt egal!“

Neben den zahlreichen „normalen“ Abläufen ist übrigens eines das normalste überhaupt in der Piratenpartei: Das gepflegte Trollen, und so ist es nicht verwunderlich, dass es zwei GO-Anträge auf Änderung Geschäftsordnung gab, die für etwas Aufheiterung sorgten: Da wäre als erster die Wiedergabe von Nyan Cat in Endlos-Schleife, der in einer knappen Entscheidung angenommen wurde, gefolgt von der Bitte, die Wahlpausen mit einer Folge My Little Pony abzuspielen, was jedoch kaum Zustimmung fand. Und obwohl Nyan Cat von einer Mehrheit als Pausenfüller akzeptiert wurde, dauerte es nicht lang (grob gesagt bis nach dem nächsten Wahlgang), bis diese Entscheidung prompt mittels eines weiteren GO-Antrags wieder zurück geändert wurde. Die Gelegenheit wurde aber auch von der Versammlungsleitung genutzt, um darauf hinzuweisen, dass während der Wahlgänge keine GO-Anträge behandelt werden.

Betrachtet man nun aber die anwesenden Leute, so fällt eines auf: Es ist zwar kaum etwas organisiert, aber zumindest Durchhaltevermögen ist klar erkennbar, was sich nicht zuletzt bei der Wahl des Generalsekretärs zeigt, die nach einem vorausgehenden GO-Antrag auf Prokrastination auf Sonntag dann doch noch (zum Leid vieler Anwesender) am gleichen Tag durchgezogen wurde und somit die Sitzung am Samstag Abend auf etwa 23:00 verlängerte. Wer zu diesem Zeitpunkt noch Konzentration aufwies hat entweder den Tag über verschlafen oder hatte sonst Probleme.

Zumindest war gegen 23 Uhr klar: Es geht für den Tag erstmal wieder zurück nach Kiel. Hierzu gab es prinzipiell drei Möglichkeiten: 1. Zum Bahnhof laufen, da kein Bus mehr dorthin fuhr, 2. den überteuerten Regionalbus nehmen oder 3. das über die Bühne durchgesagte Mitfahrangebot annehmen. Nunja: Geworden ist es 4. An der Tür jemanden Fragen, ob er nach Kiel fährt und noch zwei Plätze frei sind; denn die Leute mit der angebotenen Mitfahrgelegenheit waren nirgends anzutreffen.

Gegen halb 12 waren wir dann schließlich wieder in Kiel in der Wohnung, wo es noch bis ca. halb 3 diverse Gespräche zum Parteitag und einer Reihe an Hintergrundinformationen gab, die man von außen nur selten mitbekommt. War halt ein monströser Parteitag in Neumonster!

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Ein Kommentar »

  1. Hey,
    sehr schöne Zusammenfassung! Sorry, dass ich erst jetzt ein paar Zeilen schreibe, aber angesichts der jüngsten Entwicklungen wirkt gerade der Part mit dem LAN sehr lustig! 😉

    Kommentar by Dan — 08.06.2012 @ 02:12:50

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